Feinjute

Von der „Ersten Deutsche Fein-Jute-Garn-Spinnerei“ zum Kombinat „Textile Verpackungsmittel Weida“

Die „Kommandit-Gesellschaft Erste Deutsche Fein-Jute-Garn-Spinnerei Bergmann, Frobeen & Co.“ wurde von Artur Bergmann 1885 in Berlin gegründet. Sie galt, wie der Name verrät, als eine der ältesten ihrer Art in Deutschland. Der Firmengründer sah im Aufkommen der Jute als neuem Werkstoff vielfältige Absatzmöglichkeiten einer eigenen Produktion. Mit dem Niedergang der traditionellen Textilgewerke gab es in der Havelstadt viele Arbeitssuchende, die zu geringeren Löhnen als in Berlin arbeiteten. Gleichzeitig waren Eisenbahn und Wasserstraße günstig für die Anlieferung des aus Indien stammenden Rohmaterials und den Abtransport der fertigen Garne.

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Fabrikhallen (Foto: Stadtmuseum Brandenburg an der Havel)

Die erste Fabrikhalle mit Batscherei, Vorspinnerei, Feinspinnerei, Kopferei und die Haspelei entstand auf einem großen Grundstück zwischen Unterhavel und Bauhofstraße. Hinzu kamen ein Maschinen- und Kesselhaus, eine größere Werkstatt, das Lager für Rohstoffe und fertige Garne sowie ein Büro. Für den Antrieb der eingesetzten Maschinen in den Werkhallen sorgte eine Dampfmaschine mit der Kraft von 150 PS.

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Frauen in Fabrikhallen (Foto: Stadtmuseum Brandenburg an der Havel)

Da es für diesen speziellen Spinnbetrieb in der Region bisher keine ausgebildeten Arbeitskräfte gab, wurden Feinjutespinnerinnen aus Schottland zum Anlernen der Brandenburgerinnen geholt. Bereits im ersten Jahr entstanden auf 2400 mechanischen Feinspindeln rund 84 000 Kilogramm Jutegarne. Diese wurden vor allem zur Herstellung von industriellem Sack-, Steif- und Wattierleinen verwendet, für militärische Zünder- und Kabelgarne, aber auch für preisgünstige Teppiche, Möbel- und Dekorationsstoffe.
Schnell wurde der Betrieb um eine neue Fabrikhalle samt zweiter Dampfmaschine erweitert, bis um 1900 waren 6500 mechanische Spindeln in Betrieb. In der Folge entstanden entlang der Bauhofstraße werkseigene Wohnungen und eine Kinderbetreuung.

Empfindliche Rückschläge musste die „Erste Deutsche Fein-Jute-Garn-Spinnerei“ durch Brände in den Werkshallen und Lagern 1905, 1909 und 1912 verkraften. 1912 übernahm Sohn Alfred Bergmann übernahm die Firma und war dort bis zum Ende des 2. Weltkriegs. 1934 stellten die 350 Beschäftigten mehr als 2.200 Tonnen Jutegarne her. Allerdings reihte sich auch diese Brandenburger Firma seit Kriegsbeginn mit der Umstellung auf Zündergarne in die Zulieferer für Rüstungsindustrie und Wehrmacht ein.

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Frauen in den Industriegebäuden der Jutespinnerei (Foto: Stadtmuseum Brandenburg an der Havel)


Zu den ersten Nachkriegsprodukten zählten Abtreter, Wäscheleinen und Matten aus Papier, Hanf und Flachs. In Heimarbeit verstrickten bis zu 600 Arbeiterinnen Papier und ein zellwollähnliches Garn zu Pullovern, Decken, Einkaufstaschen und -netzen. 1948 folgte die die Enteignung und Verstaatlichung des Betriebs, der dann zur VEB „Bastfaser Leipzig“ gehörte. Seit 1970 war er dem Kombinat „Textile Verpackungsmittel Weida“ unterstellt. Nach 1990 wurde das Werk stillgelegt, nach 1997 wurden die Fabrikgebäude abgerissen.